Termine zur Ausstellung:
7.10.2020 17 – 21 Uhr
Eröffnung der Ausstellung
11.11.2020, 19 Uhr per Livestream
"A sip of nothing / Ein Schluck vom Nichts"
Ein interdisziplinäres Kunstgespräch zu der paradoxen und zugleich existentiellen Frage der Existenz eines "Nichts". Mit dem Astronom, Mathematiker, Physiker und Sachbuchautor Josef Martin Gaßner, dem Philosophen Christof Rapp, dem Literatur- und Filmwissenschaftler Nepomuk Zettl, der Medienwissenschaftlerin und Kuratorin Franziska Stöhr und dem Künstler Paul Valentin.
Moderiert von Michael Ott.
11.01.2021
"Trust me" – Ein Kunstfilm-Videoabend
Paul Valentin präsentiert im Royal Filmpalast am Goetheplatz seine Kunstvideo-Favoriten. Mit Beiträgen voraussichtlich von Yves Zintel, Post Brothers und Jacob Dwyer. Information zum Termin und der Anmeldung aktuell auf www.maximiliansforum.de
Zur Ausstellung
LAMB SHIFT ist die erste Ausstellung des Künstlers Paul Valentin, die sich ausschließlich mit dem Thema des "Nichts" beschäftigt, das auch Gegenstand seiner künstlerischen Diplomarbeit war. In seiner Ausstellung LAMB SHIFT im MaximiliansForum konfrontiert Paul Valentin in künstlerischer Weise Konzepte des Nichts östlicher und westlicher Spielart. Im Zentrum steht dabei sein mit dem Karl&Faber-Preis ausgezeichneter Animationskurzfilm „Nichts“ (2019). Geprägt ist die künstlerische Erzählung seines Animationsfilms von naturwissenschaftlichen und philosophischen Thesen über das Nichts. Seine fragmentarischen Szenen verbinden sich zu einem reportagehaften Narrativ und lassen unterschiedliche Quellen zum Thema "Nichts" zu Wort kommen. Im Film erkundet die Häsin Judy – deren Charakter dem oscarprämierten Animationsfilm „Zootopia“ (2016) entlehnt ist – die Untiefen der Ideen und Vorstellungen dazu mit Hilfe einer Botschaft auf einem Recorder, der aussieht wie eine Karotte. Der Film entwickelt seine Erzählung über verschiedene Modelle zum "Nichts" aus der Geschichte der Wissenschaft und der Philosophie, und entwirft dazu eine eigene Perspektive. Eine besondere Faszination an der Auseinandersetzung mit dem "Nichts“ liegt darin, Erkenntnisse über Phänomene und Fragestellungen zu gewinnen, die sich als besonders ungreifbar darstellen.
In seiner für die Ausstellung entwickelten, großformatigen Installation stellt Paul Valentin den Film in Beziehung zur Darstellung eines antiken Wandreliefs. Das vermeintlich in zwei Bruchstücke geteilte Wandrelief zeigt eine berühmte Szene aus der Erzählung des antiken Dichters Hesiod. Darin öffnet die von Hephaistos aus Lehm geschaffen "künstliche" Frau Pandora ihre berüchtigte „Büchse". Zum Schrecken ihrer Umwelt befreit sie damit, dem Mythos zufolge, aus der Box alles Unheil, von dem diese Welt bisher verschont geblieben war. Als Pandora den Deckel schnell wieder schließt, bleibt im Inneren die Hoffnung zurück. Das Motiv wirft die Frage auf: Was, wenn Pandoras die Box erneut öffnen würde und auch die Hoffnung entwiche? Die Leerstelle, die klaffende Lücke in der Darstellung der vermeintlichen Reliefwand, füllt der Film ...
Die Installation im gegenüberliegenden Ausstellungsschaufenster ist im Kontrast dazu durch Ideen des Zen inspiriert. Dabei bezieht sich Paul Valentin auf Techniken der Kalligrafie und der Objektmeditation. Unterschwellig belegt er, was nicht nur die Wissenschaft längst ahnt: Nichts ist nicht nichts! Aus der Serie „Nothing Explained“ zeigt Paul Valentin eine Reihe gerahmter Radierungen, die Motive von Redewendungen piktogramartig übersetzen, in denen das Wort "Nichts" eine Rolle spielt. So haben wir zum Beispiel „Nichts zu befürchten“, „Nichts gesehen“, „Nichts gegessen“ oder "kennen Nichts". Wie beim klassischen Memory, gibt es insgesamt 32 Piktogramme, die in unterschiedlichen Konstellationen auftauchen. Ein Beiheft, das den Hintergrund der Piktogrammen beschreibt, beinhaltet eine Spielanleitung für das Memory.
Daneben sind zwei Monitore im Raum angeordnet, auf denen zwei weitere Animationsvideos im Loop zu sehen sind. Die beiden Filme greifen einzelne Motive aus dem Film "Nichts" von 2019 auf und spielen diese weiter. Im ersten der beiden Videos sieht man erneut die Häsin. Sie betrachtet nun eine Skulptur, die wie eine antike Hasengöttin aussieht. Die Häsin wiegt die Figur in ihren Pfoten, klopft dagegen, und man beobachtet sie bei einer Objektmeditation. Im Zen wird diese Meditation verstanden als eine Lektion über die eigene Sterblichkeit. Bei der Objektmeditation stellt sich die meditierende Person die Skulptur zum Beispiel zunächst hohl vor, dann ihr Gewicht als nicht mehr existent, bis hin zur Auflösung ihrer Form.
Das zweite Video zeigt die Häsin bei einer kaligrafischen Übung. Einzelne Elemente des Animationsfilms, deren Bedeutung dort offen bleibt, werden hier wieder aufgegriffen. So taucht der Ast wieder auf, zu dem es im Film nur geheimnisvolle heißt „dazu sage ich nichts, das ist ja offensichtlich“. In dem Video wird er nun als Zeichenstab von der Häsin verwendet, mit dem sie das japanische Symbol „Mu“ in den Sand zeichnet, das für die Leere (im Geist) steht, und das sie anschließend mit einem Rechen wieder auslöscht.
Mit dem Ausstellungstitel LAMB SHIFT (Lamb-Verschiebung) bezieht sich Paul Valentin auf einen speziellen Effekt aus der Quantenphysik, benannt nach dessen Entdecker, dem amerikanischen Quantenphysiker Willis Eugene Lamb. Lamb entdeckte 1947 zusammen mit Robert Curtis Retherford den Effekt der sogenannte Vakuumpolarisation. Unter anderem belegen sie, dass sich im Vakuum sogenannte virtuelle Teilchen befinden, und das Vakuum also nicht wie derzeit vermutet ein leerer Raum ist. Bildlich übersetzt lässt sich der von ihnen dafür entwickelte Test etwa so beschreiben: Man hat zwei gleich große Dosen. Eine Dose ist randvoll gefüllt mit Flüssigkeit. Dann füllt man die Flüssigkeit in die zweite Dose, die überlaufen wird, wenn sie zuvor nicht leer gewesen ist. Misst man die überlaufende Menge der Flüssigkeit, lässt sich damit bestimmen, wie viel Raum in der vermeintlich leeren Dose bereits belegt war. Dieses Experiment führt die Häsin in Paul Valentins Film mit zwei Dosen des fiktiven Energy-Drinks LAMB SHIFT durch.